Das Eisenbahnnetz der deutschen Hauptlinien war bis 1880 größtenteils vollendet.
Durch Westmittelfranken führten die Strecken Würzburg – Treuchtlingen und Nürnberg – Stuttgart,
die sich in Ansbach kreuzten. Viele größere Städte und gemeinden hatten jedoch noch keinen
eigenen Bahnhof und drängten auf einen Bahnanschluss, der damals noch „das Tor zur Welt“
bedeutete.
Viele mutige und ungestüme Strecken wurden diskutiert, meist jedoch auch wieder verworfen.
In der folgenden Karte sind die wichtigsten eingezeichnet.
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In den 1870er Jahren plante man eine Rezattalbahn von Ansbach über Lichtenau, Windsbach,
Wassermungenau, Spalt nach Georgensgmünd. Wie vielen anderen Projekten in Bayern, die
zwei Hauptbahnen verbinden sollten, blieb ihm jedoch die Genehmigung von Finanzminister
und König im fernen München versagt. Zum einen fehlte das Geld für die vielen Bauwünsche
der Bürger, zum anderen wollte man aber auch den bereits verkehrenden Bahnen keine Konkurrenz
machen: Von Ansbach nach Georgensgmünd konnte man damals schon über Nürnberg fahren.
Warum also eine Abkürzung bauen, die auch noch zu weniger Fracht- und Fahrkarteneinnahmen
geführt hätte? Die Leute hatten schließlich keine Wahl - Autos, Busse und LKWs gab es noch nicht.
Bürger, Geistliche und Politiker vor Ort reagierten darauf, indem sie keine durchgehenden
Strecken mehr forderten, sondern nur noch Stichbahnen, die als Zubringer zu den großen Magistralen
dienen sollten. Diese waren keine Konkurrzenz mehr zu den Hauptstrecken, sondern
„führten diesen neuen Güter- und Personenverkehr zu“.
Hauptpunkte, einen Bahn nach Windsbach zu bauen, waren zum einen der Pferdemarkt in
Ansbach, sowie der Hopfenanbau im Windsbacher Gebiet. Weiterhin sollte die Strecke das
mittlerweile durch die Diakonie aufstrebende Neuendettelsau einbinden. Berufsverkehr gab es
hingegen damals noch nicht – der größte Teil der Bevölkerung verließ das Gebiet der Gemeinde,
in der er wohnte, nur selten.
Uneins war man anfangs noch, an welcher Stelle die Nebenbahn an die Hauptstrecke Nürnberg-
Crailsheim angebunden werden sollte.
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Möglicheit 1 war die Linienführung über Petersaurach nach Wicklesgreuth, Möglichkeit 2 über Aich
nach Heilsbronn. Beide Strecken wurden projektiert und kalkuliert. Variante 1 war um ca. 2km
kürzer, sowie um ca. 90.000RM billiger, auch die größte Neigung betrug nur 15 Promille statt
25. Zudem wurde die Streckenanbindung in Heilsbronn von den örtlichen Fuhrleuten torpediert,
die befürchteten, Umsatzeinbußen zu erleiden. Andererseits hatte Heilsbronn als Sitz des
königlichen Amtsgerichts, des Rentenamts, des Notariats und des Forstamts eine solche
Bedeutung, dass die Heilsbronner andererseits in "Schmähschriften" Wicklesgreuth verteufelten,
indem die Stadtoberen schrieben, dass man vom Bahnhof in Wicklesgreuth erstmal 20 Minuten
laufen müsse, bevor man die ersten Häuser erreiche, und dass das Wasser derart schlecht
wäre, dass man um die Gesundheit der Fahrgäste fürchten müsse.
Schließlich entschied man sich dann doch für die Anbindung in Wicklesgreuth, wohl aus dem Grund,
dass die Ausrichtung nach Ansbach in Wicklesgreuth besser wäre und die Gesamtkosten
niedriger seien. Dies wurde per Gesetz am 26. Mai 1892 beschlossen.
Die technische Abnahme der Strecke erfolgte am 24.11.1894, Prinzregent Luitpold gab am 27.11.1894
die Genehmigung zur Betriebsaufnahme, die am 1.12.1894 offiziell erfolgte.
Zu Anfang fuhren nur 3 Zugpaare, mit 2. und 3. Klasse, während des 2. Weltkrieges wurde ein "Not-
betrieb" aufrecht erhalten.
Mangels Konkurrenz wurden alle Güter mit der Bahn befördert, z.B. auch lebende Tiere in speziellen
„Viehwagen“. An allen Bahnhöfen gab es „Güterabfertigungen“, an denen man Pakete aufgeben
und abholen konnte und „Freiladegleise“, zum Be- und Entladen ganzer Güterwagen.
Am Streckenprofil lassen sich die Höhenunterschiede betrachten
Und hier der genaue Streckenverlauf
Im Laufe der Jahre wurden an die eingleisigen Bahnlinie immer wieder Erweiterungen der Gleisanlagen
angebaut, die heute allesamt verschwunden sind.
So gab es in allen Orten mindestens ein Ladegleis mit einer Laderampe, verschiedene Firmenanschlüsse,
z.B. in Petersaurach an die Rheinischen Kunststoffwerke.
In Neuendettelsau gab es insgesamt die größte Ausdehnung mit 12 Weichen im Bahnhofsbereich. Dazu
zählten wohl auch die Anbindung an die "Munitionsanstalt" (MUNA), sowie an die Fäkalienanlage zu
Anfang des 20. Jahrhunderts. Windsbach hatte einen zweiständigen Lokschuppen erhalten, wo die
Lokomotiven "übernachten" konnten, zudem wurde dort immer eine Reservelok vorgehalten.
In beiden Weltkriegen gab es eingeschränkte Fahrpläne, mit denen ein "Notbetrieb" zur Versorgung der
Bevölkerung aufrecht erhalten wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erbrachte die Strecke Wicklesgreuth
– Windsbach wie viele andere Nebenbahnen in Deutschland die größten Leistungen. Das „Wirtschaftswunder“
sorgte für zunehmende Frachten und immer mehr Berufspendler, die mit der Bahn zu ihren Arbeitsplätzen
nach Ansbach und Nürnberg fuhren.
Das „Wirtschaftswunder“ war aber auch die Ursache dafür, dass ab Ende der 1950er Jahre die Nachfrage
kontinuierlich abnahm: Die Bürger konnten sich zunächst einen eigenen Motorroller leisten, später einen
PKW, und immer mehr Betriebe schafften sich LKWs an. Die politisch Verantwortlichen unterstützten das
durch umfangreiche Straßenbauten. Während die Straßen jedoch aus Steuermitteln gebaut wurden,
musste die Bundesbahn ihre Ausbauten selber finanzieren. Dadurch begann ein Teufelskreis, der zu
immer mehr Einschränkungen im Bahnangebot führte.
Erst mit Einführung des "Bayerntakts" im Jahre 1996 war dieser Trend beendet. Durch einen ganztägigen
Stundentakt der Personenzüge von 5 bis 21 Uhr erfuhr die Bahnlinie ihre größte Zugfrequenz.
Seit Einstellung des Güterverkehrs im Jahr 1996 wurden fast alle Bahnanlagen außer dem einen
durchgehenden Hauptgleis abgebaut. Im Werksgelände der Rheinischen Kunststoffwerke liegt zwar
noch das Gleich, aber die Weiche dorthin wurde entfernt.
Der heutige Zustand der Strecke Wicklesgreuth – Windsbach entspricht dem der meisten anderen
Nebenbahnen in Bayern: Ein 12 km langes Gleis ohne Weichen und Signale erlaubt mit einem modernen
Triebwagen, der immer hin und zurück fährt, einen kostengünstigen Betrieb. Etwa 800 Fahrgäste täglich
benutzen zurzeit den Löhe-Express. Das sorgt für genug Einnahmen, um den Weiterbetrieb langfristig
zu sichern. Dass es kaum noch möglich ist, Güterzüge oder Sonderfahrten nach Windsbach fahren zu
lassen, muss man daher wohl als „notwendiges Übel“ in Kauf nehmen.
100 Jahre Wicklesgreuth-Windsbach